Mit der revolutionären Kokarde

Museum Geschichten, Dr. Miloš Říha, 2004

Das revolutionierende Volk will sich immer irgendwie feierlich und vor allem revolutionär markieren. Während der Unruhen und kleinen oder größeren Auseinandersetzungen, Konflikten und verschiedenem Trubel ist es letztendlich durchaus praktisch, auf den ersten Blick erkennen zu können, mit wem man die Ehre hat und zu wem die lauten Burschen gehören, die auf der Straße gegenüber laufen. Zu diesem Zweck dienten immer ganz gut die Trikoloren auf dem Mantelaufschlag, bunte Schlingen auf dem Ärmel oder auch die revolutionäre Kokarde – eine geschickt gefaltete runde Bandrosette, die man auf dem Hut oder auf dem Mantelaufschlag trug.

Im Königswarter Schlossmuseum gibt es sogar mehrere revolutionäre Trikoloren und Kokarden. Eine Kokarde trug das Mitglied des Wohlfahrtsausschusses während der Großen französischen Revolution. Zum Präsident des Wohlfahrtsausschusses wurde im Jahr 1794 Jean Lambert Tallien gewählt, nachdem er einen bewaffneten Angriff gegen den Konvent leitete, dessen Abgeordneter er selbst war. Er trug dadurch zum Sturz des jakobinischen Diktators Maximilien de Robespierre bei. Tallien folgte dann Napoleon nach Ägypten nach und seine schöne Ehefrau Thérese, eine der schönsten Frauen Frankreichs, ließ sich von ihm scheiden. Sie hatte angeblich sehr kleine und schöne Füße, was wir letztendlich durch ihren eigenen Schuh beweisen können, der sich auch im Königswarter Schlossmuseum befindet. Bezüglich der Schönheit ihrer Füße müssen wir allerdings ihren Zeitgenossen glauben.

Weitere zwei Kokarden trug sogar Napoleon I. selbst – eine schon im Jahr 1807 und die andere schenkte er am 28. März 1810 auf dem Schloss in Compiegne dem Fürsten Metternich. Kokarden wurden auch im Jahr 1815 getragen, bei der Rehabilitierung der Bourbonen – ihrem Wiederkehr auf den französischen Thron nach der Niederlage Napoleons. Und das Volk jubelte wieder und trug neue Kokarden. Am meisten wurden die Kokarden erst nach dem eigentlichen Sieg getragen, als jedem klar war, welche Farben in der Mode sind.

So war das auch bei weiteren revolutionären Kokarden aus dem Jahr 1847 – einer römischen und einer toskanischen – und dann speziell bei Kokarden aus dem Revolutionsjahr 1848. Alle werden seit damaliger Zeit im Königswarter Schlossmuseum aufbewahrt.

Der Aufstand in Krakow im Jahr 1846 und der Bürgerkrieg in der Schweiz im Jahr 1847 waren ein Vorspiel für die neue Revolutionswelle. Diese traf auch Italien, dann im Februar 1848 Paris und letztendlich am 13. Februar 1848 Wien. Der österreichische Kaiser Ferdinand der Gütige gab schließlich den Forderungen nach, die Entstehung von Bürgergarden zu bewilligen, und auch der Kanzler Metternich demissionierte. Verkleidet als Wäscherin floh er aus dem Gebäude des Kanzleramtes, dann aus Wien und er lebte dann drei Jahre in London.



Wie der fürstliche Schlosskustos Prof. Paul Rath schreibt, verließ er selbst nach dem Auszug (besser gesagt nach der Flucht) der Fürstenfamilie am 14. März 1848 das Kanzleramt in Wien, um seine Mutter in einem der Häuser in der Innenstadt Wiens aufzusuchen. Auf den Strassen herrschte ein außerordentliches Chaos, und auch dieser vierzigjährige Priester und Kustos des Königswarter Schlossmuseums konnte sich seines Lebens nicht sicher sein. Aus taktischen Gründen besorgte er sich deswegen eine revolutionäre Kokarde, die er dann – wie viele andere Menschen – aus Sicherheitsgründen auf seinem Mantelaufschlag trug. Als er sich dann in Wien unter anderen ähnlich markierten Revolutionären bewegte, half ihm dieser Trick ziemlich zuverlässig. Vielleicht dachte er in der Zeit auch darüber nach, wer von den Vorübergehenden der „richtige Revolutionär“ ist und wer nur genauso verschüchtert ist, wie er.

Aus Wien reiste dann der Kustos nach Königswart über Prag. Die revolutionäre Kokarde aus Wien brauchte er in der Kutsche nicht mehr, aber er räumte sie sorgfältig in das Gepäck ein. Die Reise nach Prag war lang und mühsam – sie dauerte normalerweise drei bis vier Tage. Professor Rath verließ Wien, als diese Stadt durch die Märzrevolution rammelte, aber die Nachrichten über die Revolution überholten ihn. Bevor er am 26. März nach Prag ankam, war die Revolution schon auch dort. Deshalb kaufte der durch revolutionäre Ereignisse verfolgte Kustos in Prag in der Strasse Celetna von einer Hökerin eine tschechische revolutionäre Kokarde – wie er schreibt, als Andenken an die damalige „tollwütende Zeit“. Beide Kokarden – aus Wien und aus Prag – stellte er dann im Museum in Königswart aus und ihre Geschichte trug er in den Katalog des Museums ein.