Die Botschaft der hingerichteten Königin

Museum Geschichten, Dr. Miloš Říha, 2004

Als die Schärfe der Guillotine am 16. Oktober 1793 das Leben der französischen Königin Maria Antoinette beendete und nachdem auch das Jubeln der Pariser zu Ende war, die sich zu dieser Vorstellung auf dem Hauptplatz ansammelten, entstand ein neues Symbol. Damals war sich der Sache wahrscheinlich kaum jemand bewusst, aber das Symbol der hingerichteten Königin als Ende einer Epoche verzeichnete die weitere Geschichte Europas.

Die Guillotine auf dem Platz der Revolution wurde nach dem Entwurf des französischen Arztes J. I. Guillotin erbaut und die unglückliche Königin Maria Antoinette wurde sicherlich zum berühmtesten Opfer dieses mechanischen Richtgerätes der Französischen Revolution. Sie folgte so dem Schicksal ihres Ehemannes nach, des Königs Ludvig XVI. – nicht ganze 10 Monate nach seiner Hinrichtung. Ein schnelles Gerichtsverfahren wurde durch den Pariser Konvent mit dem Todesurteil für die achtunddreißigjährige Königin abgeschlossen und Maria Antoinette als letztes Symbol der Fundamente der französischen Monarchie wartete im Gefängnis auf den Tod.

Nach Frankreich kam diese charmante jüngste Tochter der Kaiserin Maria Theresia und des Franz Stefan Lotrinsky und die Schwerster der späteren österreichischen Kaiser Josef II. und Leopold II. 23 Jahren vorher, um hier schon im Alter von 14 Jahren den Thronfolger und späteren französischen König Ludvik XVI. zu heiraten. Die Kaiserin Maria Theresia schickte ihre Tochter nach Frankreich mit wahrlich kaiserlicher Ausstattung, die während der langen Reise in vielen Truhen auf holpernden Kutschen aufgeladen war. Sie gab ihr auch ein ganz persönliches Geschenk, das die junge Königin immer bei ihr hatte. Es war ein Gebetbuch im kleinen Umschlag aus braunem Leder, das in Wien speziell für den Bedarf ihrer kaiserlichen Majestät, der Königin von Ungarn und Tschechien ausgegeben wurde.

Nun wartete also die Königin Maria Antoinette in der Gefängniszelle in Tempel auf den Tod und betete über dem Buch ihrer Mutter. Noch bevor sie am 16. Oktober um 10 Uhr vormittags zur Hinrichtung abgeliefert wurde, schaffte sie noch auf die Tapetenabrisse im Gefängnis einige Worte schreiben – eine Botschaft für ihr Volk. Dann gab es nur die höhnische Fahrt auf den Platz der Revolution und das scharfe Geräusch der fallenden Guillotine.

17 Jahre später heiratete den französischen Kaiser eine weitere Tochter aus dem Habsburger Haus. Es war Maria Luisa und sie heiratete im Jahre 1810 den französischen Kaiser Napoleon I. Ihr Vater, der österreichische Kaiser Franz I. ließ sich von dem Graf Metternich überzeugen, dass eben diese diplomatische Eheschließung mit dem gefürchteten Korser für die österreichische Monarchie mindestens einige Jahre Frieden retten kann. Die Ehe selbst wurde von der Wiener Gesellschaft nur mit Erstaunen und Erschrecken gleichzeitig akzeptiert. Maria Luise bestieg doch den Thron, der vor 17 Jahren ihre Großtante Leben kostete, und zwar sogar als Ehefrau des Kaisers, der die Französische Revolution guthieß! Des Schicksals und der Botschaft der hingerichteten Königin Maria Antoinette war sich die Kaiserin Maria Luisa bewusst und als Andenken bewahrte sie das kleine Gebetbuch auf. Den Tod des Kaisers Napoleon I. überlebte sie um viele Jahre und im Jahr 1847 starb sie in Wien im Alter von 56 Jahren.

Nach weiteren 6 Jahren wurde im Jahr 1853 zur Ehefrau des französischen Kaisers Napoleon III. die spanische Gräfin Eugénia Maria de Montijo de Guzmán. Als französische Kaiserin auf dem Thron der hingerichteten Königin fand auch die Kaiserin Eugénia Gefallen an dem Gebetbuch der Maria Antoinette. Als dann auch ihre Welt zusammenbrach und der Kaiser Napoleon III. nach vielen politischen Verlusten zur Kapitulation gezwungen wurde, wurde das Gebetbuch für sie sogar zu einem Trotzsymbol: ihr Schicksal wird sich nicht dem Schicksal der Maria Antoinette gleichen, die nach Belgien fuhr und in Varennes festgenommen wurde. Es gelang ihr schließlich auch, Paris rechtzeitig zu verlassen und auf dem Bord der Jacht „La Gazette“ vom Sir John Burguy nach England zu entkommen.

Nach Hastings brachte ihr ihre gute Freundin, Fürstin Pauline Metternich, die Ehefrau des österreichischen Botschafters, des Fürsten Richard, das wertvolle Gebetbuch der Maria Antoinette, das die Kaiserin Eugénia bei ihrer Flucht in ihrem Schreibtisch in Tuilerien vergaß. Das passierte im Jahr 1870. Fünf Jahre später kam das wertvolle Buch in das Königswarter Kuriositätenkabinett, wo schon damals auch die Tapetenabrisse mit der Botschaft der hingerichteten Königin waren.