Der Betrieb des Golfplatzes auf der Schloss Kynžvart wurde eingestellt.
Die fliegende Statuengruppe
Museum Geschichten, Dr. Miloš Říha, 2004
Im Schloß Königswart zu heiraten, ist in der letzten Zeit groß in Mode gekommen. Vier bis fünf Paare in der Woche geloben sich Liebe und Treue entweder in der Schlosskapelle oder auf der kleinen Insel im Schlossteich. Die frisch Vermählten lassen sich dann vor der Statuengruppe „Amor und Psyche“ im Großen Saal des Schlosses fotografieren. Die Alben mit den Hochzeitsbildern zieren dann unterschiedliche Varianten der optimistischen Komposition zum ewigen Thema der zarten Braut, die hingebungsvoll zu ihrem verlässlichen Ritter aufblickt. Den Hintergrund bildet das fabelhafte Werk eines italienischen Bildhauers.
Antonio Canova (1757 – 1822) war der bedeutendste Bildhauer des italienischen Neoklassizismus. Die Statuen mit dem bekannten Motiv der mythischen Liebe schuf er in den Jahren 1787-1793. Das Werk bestellte ursprünglich ein Engländer, aber am Ende bekam es dann der französische General Joachim Murat. Canova bearbeitete auf eine sehr reizvolle Art und Weise den flüchtigen Augenblick, als sich der göttliche Amor zärtlich über Psyche beugt und mit seinen Flügeln den todesähnlichen Schlaf vertreibt, in den Psyche durch die Hinterlist der eifersüchtigen Venus (Aphrodite) verfiel. Psyche war eine Königstocher, die durch ihre außergewöhnliche Schönheit selbst bei Venus Neid hervorrief. Diese wollte deshalb, dass Psyche zu dem allerscheußlichsten Menschen auf der Welt in Liebe entbrennt. Amor, der Sohn von Venus, sollte dies einrichten; er verliebte sich aber selbst in Psyche und besuchte sie geheim und unerkannt jede Nacht. Schließlich erweichte die große Liebe zwischen dem Gott und der Königstocher auch die Götter auf dem Olymp. Zeus selbst verlieh Psyche Unsterblichkeit und die Liebenden wurden zum Symbol der ewigen Liebe.
In den Jahren 1800 – 1803 schuf Canova noch eine Variante dieses Themas für die Eremitage in St. Petersburg. Eine weitere, in Gips ausgeführt, nach einem Original, das im Louvre steht, befindet sich in New York. Es existieren noch weitere Kopien dieses berühmten Werkes aus seiner Werksatt. Auch der österreichische Staatskanzler Clemens Fürst von Metternich erlag dem Zauber des zärtlichen Kusses und bestellte bei Canova eine Kopie aus Carraramarmor. In seinem Tagebuch vermerkte er am 10. Februar 1822: „Gerade habe ich die Marmorgruppe von Canova erhalten und habe sie in meinem Pavillon aufstellen lassen. Es ist ein entzückendes künstlerisches Werk, das mir nur eine Sorge verursacht. Ich weiß nämlich nicht, was die Unschuldigen und Keuschen dazu sagen werden. Die einen wahrscheinlich nichts, die anderen allzu viel. Die Statuengruppe schuf Canova zuerst für Malmaison und ich glaube, dass sie der russische Zar kaufte. Ich habe es Canova selbst überlassen, die Kopie zu schaffen. Es ist die allerzärtlichste und gleichzeitig sinnlichste Schöpfung des Künstlers. Der Marmor ist hier in Liebe und Grazie umgeformt. Die Statuen zeigen den ersten Kuss, den Amor Psyche gab. Beide Kinder tun das so überzeugend, als ob sie nie etwas anderes getan hätten. An den Tagen, an denen mich Unschuldige besuchen, werde ich den Amor mit einem Morgenmantel einhüllen müssen und Psyche unter einer Decke verstecken; sonst belasse ich sie in ihrem schlichten göttlichen Aussehen. Wenn diese reizenden Geschöpfe nicht 23 Doppelzentner wöge, würde ich sie auf Rädern aufstellen lassen. So sind sie aber unbeweglich und deshalb treu wie eine Katze oder General Foy. Mir gefällt dabei, dass Amor trotz seiner Flügel nie mehr mein Haus verlassen kann. Diese Flügel sind wirklich ein künstlerisches Werk. In Rom lebt ein Künstler, der nur Flügel schafft; die besten Bildhauer, lassen sie von ihm anfertigen; es ist unbegreiflich, wie feinfühlig er den Marmor bearbeitet.“
Das Original sollte ursprünglich in der Residenz des französischen Königs Ludwig XVI. in Malmaison stehen. Später lebte in diesem Palast Josefine, die erste Frau von Napoleon I. Seine zweite Frau, Marie Louise, hatte Canovas Statuen im Badezimmer. Canova selbst, der seit 1779 in Rom wirkte, hat nach Napoleons Machtübernahme persönlich viel gewonnen. Er bekam die Möglichkeit, sich in ganz Europa durchzusetzen. Napoleon war ein großer Bewunderer seines Werkes „Amor und Psyche“. In den Jahren 1804 – 1808 schuf Canova die bekannte Statue Venus (Venus Victorix) nach Pauline Borghese, Napoleons zweiter Schwester. Das Original ist heute in der Villa Borghese in Rom und Metternich bestellte wieder eine Kopie bei Canova.
Metternich irrte sich allerdings sehr, als er in sein Tagebuch schrieb, dass Amor trotz seiner Flügel nie sein Haus verlassen kann. Ursprünglich stand die Marmorgruppe in Metternichs Villa in Wien, Rennweg 27. Metternichs Enkel, Clemens Wenzel, verkaufte wegen großer Schulden die Wiener Familienvilla im Jahr 1907. Die umfangreichen Kunstsammlungen (32 Bilder, 155 Miniaturen und 29 Marmorplastiken, Reliefs und Vasen) wurden vorrübergehend im Kunsthistorischen Hofmuseum ausgestellt. Die Statuengruppe von Canova war allerdings für die Überführung zu schwer. Erst Anfang des Jahres 1908 wurde sie zusammen mit anderen Stücken der Kunstsammlung nach Königswart überführt. Aber auch das war nicht ihre letzte Reise. In den Jahren 1984 – 1986 wurde das Schloß komplett ausgeräumt. Für die gründliche Gesamtrekonstruktion, das Objekt war vom Schwamm befallen, wurde eine problematische, rasante Methode gewählt, die die diskrete Auslagerung von zehntausenden Mobiliar-, Sammlungsgegenständen und Büchern nach den verschiedensten Plätze der Republik erforderte. „Amor und Psyche“ fanden für zehn Jahre Asyl in der Reithalle des Jagdschlosses Kozel, unweit von Pilsen. Es gab damals nur wenige, die daran glaubten, dass die Sammlung überhaupt je nach Königswart zurückkehren würden. Als dann aber dieses Wunder geschah und es gelang, im rechten Augenblick Geld, Kraft, Lust und Fähigkeit zur Erneuerung des Schlosses in Königswart zusammenzutun, übersiedelten auch wieder „Amor und Psyche“ hierher. Unter sorgfältiger Aufsicht von erfahrenen Bildhauern wurden die wertvollen „fliegenden Statuen“ am Arm eines Autokrans aufgehängt und befestigt. Vorsichtig wurden sie durch die Balkontür in den Großen Saal zurückbefördert.
Zehntausende von Schlossbesuchern kommen heute zu ihnen, bewundern das unnachahmliche Spiel der Farben und des Lichts, die auf dem schneeweißen Marmor die Nachmittagssonne zaubert und es kommt ihnen überhaupt nicht in den Sinn, dass dieser zärtliche, 23 Doppelzentner wiegende, Kuss hätte jemals wegfliegen können.